Höchst: Jugendliche gestalten erste „Orange Bank“
Ein starkes Zeichen aus der Mitte der Gemeinde
Wer am 25. November am Atlas Supermarkt in der Erbacher Straße vorbeikam, spürte sofort: Hier passiert etwas Bedeutendes. Rund 50 Menschen hatten sich zur Einweihung der ersten Orange Bank in Höchst versammelt - und besonders die vielen jungen Gesichter stachen ins Auge.
Denn: Diese Bank ist nicht einfach eine neue Sitzgelegenheit im Ortskern. Sie ist das Ergebnis von zwei Monaten intensiver Jugendarbeit, getragen von Mädchen und Jungen zwischen acht und sechzehn Jahren, die sich dem Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit erstaunlicher Reife und Offenheit angenähert haben.
Unter der Begleitung von Jugendpflegerin Marlene Wagner und Mitarbeiterin Sakina Blaschek, Leiterin des Mädchentreffs am Freitag, fanden in diesem Zeitraum mehrere Workshops statt - unter anderem mit der Frauenberatungsstelle. Die Fachkräfte gaben den Jugendlichen Raum, Fragen zu stellen, Unsicherheiten zu formulieren und darüber zu sprechen, wie Grenzen aussehen und wie man sie schützt. Auch Jungen wurden aktiv einbezogen: Es ging darum, Respekt zu lernen, Verantwortung zu übernehmen und zu verstehen, welche Formen von Gewalt es gibt.
„Die Jugendlichen haben sich mit einer Ernsthaftigkeit eingebracht, die uns wirklich beeindruckt hat“, sagt Marlene Wagner. „Sie wollten verstehen, wie man anderen helfen kann und wie man selbst gut für sich sorgt.“
Neben den Gesprächen entstand viel Kreatives: orangefarbene Bommel, Armbänder und natürlich die Gestaltung der Bank, gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der EGS und Auszubildenden Tischlerinnen und Tischlern der BSO. Die kräftige Farbe Orange ist weltweit ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen und nun leuchtet sie auch in Höchst.
Bürgermeister Jens Fröhlich betonte bei der Einweihung, wie wichtig ihm die richtige Botschaft ist: „Diese Bank soll kein symbolisches Pflichtprogramm sein. Sie soll ein Platz sein, der uns erinnert, miteinander zu sprechen und füreinander da zu sein.“ Die Bank soll in den kommenden Monaten an verschiedenen Orten in Höchst stehen immer dort, wo Menschen vorbeigehen, verweilen und ins Nachdenken kommen. Warum der erste Standort in Sichtweite der neu verlegten Stolpersteine gewählt wurde, erklärte Fröhlich ebenfalls: „Es ist ein Ort, der uns mahnt und zugleich verbindet. Ein Ort, an dem Erinnern und Verantwortung zusammengehören.“
Harald Staier, der das Projekt in die Gemeindegremien eingebracht hatte, machte deutlich, warum ihm dieses Thema so wichtig ist: „Gewalt passiert nicht irgendwo weit weg. Es könnte deine Nachbarin sein.“
Wie ernst das Thema ist, zeigte auch der Beitrag von Jana Brendel, Gleichstellungsbeauftragte des Odenwaldkreises. Sie nannte die aktuellen Zahlen aus Südhessen, über 1.800 Fälle häuslicher Gewalt und mehr als 1.400 Sexualstraftaten im vergangenen Jahr, viele davon minderjährig. „Umso wichtiger sind Projekte, die junge Menschen früh stärken.“
Zum Abschluss richtete Sakina Blaschek bewegende Worte an die jungen Mädchen und Frauen: „Ich wünsche euch, dass ihr eines Tages in den Spiegel schaut und sagen könnt: Ich bin die Heldin meines Lebens - nicht das Opfer.“
Mit der Orange Bank haben die Höchster Jugendlichen und alle Engagierten etwas geschaffen, das bleibt: einen Ort, der Mut macht, Gespräche anstößt und zeigt, dass Zusammenhalt nicht laut sein muss, um Wirkung zu haben.
Text: Marlene Wagner
Foto Markus Wölfelschneider