Ruheraum ergänzt AWO-Tagesaufenthaltsstätte

Ruheraum ergänzt AWO-Tagesaufenthaltsstätte

Wer hierher kommt, wünscht sich, dass ihm dieser Weg erspart geblieben wäre. Aber das Leben hat es so gewollt. Und doch kommt jeder gerne wieder, weil er sich hier aufgehoben fühlt und so angenommen, wie es ihm nun mal geht mit der Situation, die im Gesetzestext mit „Menschen mit sozialen Schwierigkeiten“ umschrieben wird. Schmucklos, dafür aber verlässlich und funktional präsentiert sich die alte Schule von Stockheim, in der sich seit mehr als 20 Jahren zugleich eine Beratungsstelle und eine Tagesaufenthaltsstätte für Menschen mit Wohnungsproblemen oder einem fehlenden Dach über dem Kopf befindet. Das eigene Zuhause kann die Anlaufstelle der Arbeiterwohlfahrt Odenwaldkreis (AWO) e.V. zwar nicht ersetzen. Übernachten ist hier nicht möglich. Neu in der Tagesaufenthaltsstätte hingegen ist seit Beginn des Jahres die Möglichkeit, sich tagsüber hinlegen und ungestört eine Ruhepause gönnen zu können.

 

Für diesen Zweck wurde ein eigens als Ruheraum deklarierter Raum renoviert und mit zwei Betten sowie drei verschließbaren Schränken ausgestattet, zählt der Sozialpädagoge Christian Merkel die Anschaffungen auf. Für den Notfall stehen den Betroffenen Schlafsäcke, Isomatten und warme Bekleidung kostenfrei und unbürokratisch zur Verfügung. Finanziert wurde all dies über Mittel des Landeswohlfahrtsverbandes und aus Spenden der Sparkassenstiftung, sowie Odenwald Outdoor in Michelstadt-Stockheim. „Der Ruheraum ist bestimmt für Personen, die nach einer kräftezehrenden Nacht auf der Straße tagsüber zur Ruhe kommen können“, fasst Merkel zusammen. Dabei komme es nicht darauf an, dass die Menschen obdachlos sein müssten. Der Tagesaufenthalt wird, wie an diesem Tag, auch von Besuchern aufgesucht, die eine Bleibe haben oder auf der Suche nach einer solchen sind. Olaf P. (62) zählt zu den drei Männern, die sich an diesem Vormittag hier aufhalten. Er sucht den Tagesaufenthalt fast täglich auf und kennt sich sehr gut aus.

 

In der vollständig eingerichteten Küche hat er sich ein warmes Getränk zubereitet und schaut sich im Ruheraum um. „Eine sehr gute Idee“, findet der gebürtige Frankfurter, der als Kind mit seinen Eltern in den Odewald gekommen ist. Zurzeit wohnt er in einem Erbacher Ortsteil. Seit neun Jahren kennt er die Einrichtung der AWO. „Die AWO hilft mir und ich helfe der AWO, wo ich kann“, sagt er frei heraus. Gemeint sind damit kleinere Reparaturen und Handreichungen; „was eben so anfällt“.

 

Ein anderer Besucher, der seinen Namen nicht genannt haben möchte, sitzt konzentriert vor dem Monitor und ruft die Wohnungsangebote auf, die er im Internet finden kann. Dabei wird er von der Sozialpädagogin Rebecca Hormel unterstützt. Der 41-jährige kommt aus dem Gersprenztal und ist seit Kurzem wieder obdachlos. Er sucht gezielt nach einer Wohnung auf dem privaten Markt, „doch das ist besonders schwierig“, ergänzt Michael Schmidt. Seit zwei Jahrzehnten verfolgt der erfahrene pädagogische Mitarbeiter die Entwicklung und weiß aus gutem Grund, weshalb das AWO-Angebot vor Jahren um den Baustein „Ambulantes Betreutes Wohnen“ ergänzt wurde. Als Grundlage dient ein gemeinsam mit dem Betroffenen erstellter Hilfeplan, der zum Ziel habe, eine „eigenverantwortliche, selbstständige Lebensführung in der eigenen Wohnung“ anzustreben. „Ein ambitioniertes Ziel“, so Hormel, die weiß, dass es nicht allein damit getan ist, den Betroffenen bei den vielen behördlichen Angelegenheiten zur Seite zu stehen. In der Regel soll der Aufenthalt im Betreuten Wohnen nicht länger als zwei Jahre dauern. Dies gibt der Kostenträger vor. Die acht zur Verfügung stehenden Plätze seien sehr gut ausgelastet, ergänzt Hormel. Bei Interesse an den Möglichkeiten des Betreuten Wohnens beraten die Mitarbeitenden der AWO gerne.

 

Auch im Odenwald bleibe der Wohnungsmarkt sehr angespannt. Für den Personenkreis blieben auf dem Markt fast ausschließlich Zimmer aus früheren Pensionen und Hotels übrig. Schmidt macht daraus keinen Hehl: „Der Standard entspricht dann dem der 1970er oder 1980er Jahren, was bedeuten kann, dass Bad und Toilette geteilt werden müssen und über den Flur zu erreichen sind.“ Neben dem neuen Sofa steht ein kleiner Tisch, an dem ein weiterer Besucher auf einem Sessel Platz genommen hat. Für den Mann Anfang 40, der aus Niedersachsen in den Odenwald verzogen ist, kommt eine solche Lösung nicht in Betracht. Seitdem er Erfahrungen mit einem randalierenden Nachbarn gemacht habe, ziehe er es vor, im Wald zu schlafen, erklärt er mit wenigen Worten.

 

Noch vor dem Ende der kalten Jahreszeit soll die Anlaufstelle um einen weiteren Raum ergänzt werden, fügt Hormel hinzu. „Damit auch außerhalb der Öffnungszeiten der Tagesaufenthaltsstätte Personen sich in kalten Nächten geschützt aufhalten können, wird der Zugang dieses als Wärmeraum deklarierten Raums zeitlich limitiert über einen Transponderchip geregelt“, erklärt dazu Merkel. „Wir sind ständig auf der Suche nach geeigneten Wohnräumen für unsere Klienten, die wir betreuen. Für die Kaltmieten einschließlich der kalten Nebenkosten kommt das Kommunale Jobcenter zu festen Sätzen auf. Wir sind dankbar für jedes Angebot“, richtet Schmidt einen Appell an die Odenwälder Bevölkerung. Die Beratungsstelle ist unter Telefon 06061/92 52 18.

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